Die Bestellmöglichkeiten bei Lieferservice-Portalen wie Lieferando, haben in den letzten Jahren extrem zugenommen, der Wettbewerb ist groß, aber auch die Potentiale. Corona wirkte hier wie ein Brandbeschleuniger und trieb die Entwicklung im „Food Delivery Sektor“ an. Mit dem Abflachen der Pandemie, kehrt allerdings auch hier wieder etwas Ruhe ein. Für die Lieferdienste heißt es jetzt Marktanteile halten, der Boom ist Großteils vorbei.
Ein paar Kennzahlen zu Lieferando
So lag der Umsatz von Just Eat Takeaway.com (Lieferando) 2020 bei 374 Millionen Euro in Deutschland (England im Vergleich 725 Mio.). Der erwartete Umsatz im Segment Online Food Delivery, in Deutschland bis zum Jahr 2024, liegt bei geschätzten 392,8 Mrd. Euro. Lieferando verzeichnete im Jahr 2019 über 69,5 Mio. Bestellungen.
2018 übernahm Lieferando das Geschäft von Delivery Hero, darunter, Lieferheld, Pizza.de und Foodora. Corona sorgt dann für den Rest, zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Seit 2028 hat sich die Suchanfrage nach Lieferando bis heute quasi kurzzeitig verdreifacht, mit einem Höchstwert zu Silvester 2020. Das meiste Suchvolumen nach Lieferando kommt, nicht überraschend aus Großstädten, insbesondere Hamburg, gefolgt von Berlin.
In Deutschland gibt es 178.671 umsatzsteuerpflichtige Unternehmen in der Gastronomie. Laut Deutschland-Chefin Katharina Hauke hatte Lieferando Ende 2020, ca. 20.000 Restaurants im Repertoire, bei einem durchschnittlichen Jahresumsatz pro Restaurant von 100.000 und monatlich rund 10 Millionen Bestellungen. Ausgeliefert wird derzeit in 39 Städten. Just Eat Takeaway beschäftigt mittlerweile 10.000 Mitarbeiter. Lieferando verfügt über mehr als 5.000 Fahrer in Festanstellung oder als Nebenjob.
Der Hype machte sich auch im Aktienkurs von Just Eat Takeaway.com (Lieferando) bemerkbar. Diese hatte am 30. Dez. 2018 einen Wert von 57.- €, schoss dann bis zum 11. Okt. 2020 auf 109,60 € und befindet sich jetzt wieder auf einer Talfahrt mit 62,96 € (26. Sept. 2021).
Die Strategie von Lieferando
Dahinter steckt die, bereits durch Amazon, etablierte Plattform Strategie. Einfach ausgedrückt, man bündelt alle Angebote auf einer Plattform um damit eine entscheidende Relevanz zu erreichen, getreu dem Motto „the winner takes it all“. Um die Marktposition zu stärken würden dann in 2018 die Wettbewerber unter Delivery Hero, aufgekauft. Somit errichtete Lieferando, ähnlich wie Amazon ein Monopol am deutschen Markt.
Was macht Lieferando?
Lieferando ist im Groben vergleichbar mit Amazon, nur eben für die Gastronomie. Lieferando selbst hat allerdings keine eigenen Produkte, während Amazon hier schon gerne mal Erfolgsgeschichten in Eigenmarken umwandelt. Was nicht ist, kann aber noch werden!
Grundsätzlich bietet Lieferando eine Plattform, auf der Gastronomen ihre Produkte (Gerichte) anbieten können. Ergänzt wird der reine Shop durch den Lieferdienst, den Lieferando zusätzlich bereitstellt.
Der Lieferdienst ist dabei das große Unterscheidungsmerkmale zu Amazon. Währen Amazon mit seinen Lieferdiensten am „Same Day Delivery“ arbeitet und deutschlandweit Standorte für Lager aufbaut, funktioniert Lieferando anders. Denn Essen muß warm ausgeliefert werden, heißt innerhalb von wenigen Minuten vom Produzenten zum Konsumenten gelangen.
Und genau das ist das größte Problem im Lieferando-Konzept.
Was kostet Lieferando für den Gastronomen?
Lieferando verlangt eine Provision an den Umsätzen, die über die Plattform erzielt werden. Ein Restaurant, welches mit seinen Angeboten gelistet werden möchte, zahlt somit eine Verkaufsprovision von 13% an Lieferando. Wer zusätzlich den Lieferdienst von Lieferando in Anspruch nimmt, der kommt auf eine durchschnittliche Provision von 30%. Ähnlich wie Amazon, nutzt hier Lieferando sein Monopol aus und für viele Restaurants ist Lieferando ein teuer erkaufter Umsatz in der Corona-Kriese. Die Sonderangebote von Lieferando zur Unterstützung der Gastronomie wie z.B. „1 Monat gratis“ etc. sind hier als klassische Werbemaßnahmen zu sehen um Neukunden zu generieren, weniger als realer Benefit.
Hinzu kommt, dass Lieferando nicht nur bei den Gastronomen die Daumenschrauben angesetzt hat, sondern auch beim Kunden selbst. Hier verärgerte der Lieferdienst die hungrigen Besteller mit einer Erhöhung der Liefergebühr von 1,50 auf 2,90 €.
Diese Erhöhung in manchen Städten, liegt wieder im eigenen Lieferdienst begründet. So der Sprecher von Lieferando: „Die Anpassung unserer Liefergebühren betrifft nicht einmal ein Prozent aller Bestellungen und dies nur in kleineren Städten, in denen die Logistik besonders unprofitabel ist“.
Der Lieferdienst – Fluch und Segen
Der Lieferdienst ist das eigentliche Alleinstellungsmerkmal von Lieferando. Ohne diesen Service gäbe es die Erfolgsgeschichte nicht. Damit ist er aber auch gleichzeitig das größte Problem für Lieferando. Gerne berichten die Medien hier über Fahrer, die zu Dumping-Löhnen etc. arbeiten, ich persönlich glaube aber, dass man, wenn man möchte, in jedem Konzept ein Haar in der Suppe finden wird.
Hier kann man jeden Lieferdienst nehmen, von DHL über UPS bis Amazon, die Kosten und der aufwand für die Lieferung von Produkte ist enorm und der Endkonsument ist verwöhnt, kostenloser Rückversand etc. Das Problem ist riesig, überall!
Die Strategie von Lieferando geht nur dort auf, wo genügend Kunden und Gastronomen, auf engem Raum, zusammen kommen, also in Großstädten wie Hamburg und Berlin. Sobald die Gebiete ländlicher werden, erhöhen sich auch die Fahrtwege und damit wird Lieferando unprofitabel.
Der Lieferfahrer holt das Essen beim Restaurant ab und fährt es zum Kunden. Dabei liegt die durchschnittliche Lieferzeit bei ca. 45 – 60 Minuten. Abweichungen je nach Wochentagen und Auslastung des Lieferdienstes!.
Ausgeliefert wird derzeit in 39 Städten mit über 5.000 Fahrern. Damit ist die Skalierbarkeit von Lieferando ziemlich am Limit. Denn je länger die Fahrtstecke, desto unrentabler das Geschäft. Möchte man also weitere Regionen erschließen, mit einer geringeren Dichte an Kunden und Restaurants, steigen die Kosten für den Lieferdienst überproportional.
Der gesetzliche Mindestlohn für die Fahrer stellt damit eine rechnerische Hürde dar, die es Lieferando unmöglich macht, profitabel in weniger besiedelten Regionen, aktiv zu werden. Bleibt einzig die Möglichkeit, die Kosten dem Restaurant Betreiber oder Konsumenten, aufzuzwingen.
Damit wird aber Lieferando für die Zielgruppen uninteressant.
Aktuell liegt die Provision an Lieferando bei 30% inkl. Lieferdienst zzgl. 2,90 € pro Lieferkosten für den Konsumenten.
Ein Restaurant, welches monatlich 500 Bestellungen abwickelt mit einem durchschnittlichen Warenkorbwert von 22,70 € macht einen Umsatz von 11.350.- €. Die Provision ohne Lieferdienst entspräche (13%) 1475,50 € mit Lieferdienst (30%) 3.405.- €. Dazu der Anteil an die Konsumenten mit 500 x 2,90.- € = 1.450.- €. Lieferando bekommt also 4.855.- € für die Bestellung und Auslieferung im genannten Beispiel!
In ländlichen Regionen rechnerisch für Lieferando nicht mehr realisierbar.
Mein persönliches Fazit
Durch die gesetzliche Hürde des Mindestlohns für die Lieferfahrer, funktioniert Lieferando nur in Ballungszentren. In ländlicheren Gebieten steigen die Lieferkosten überproportional an, was entweder über die Gastronomen oder über den Endverbraucher abgedeckt werden muß. Die aktuell schon hohen Provisionen bieten hier kaum noch Spielraum für Lieferando, wodurch sich eine natürliche Grenze ergibt, die die Skalierbarkeit von Lieferando verhindert. Mit den aktuell angeschlossenen 39 Städten und 20.000 Restaurants, hat Lieferando schon ziemlich das Limit der Skalierbarkeit erreicht. Eine Lösung des Lieferproblems ist allerdings bis auf weiteres nicht sichtbar.
Und mal unter uns, wenn ich Gastronom wäre, würde ich mir für die 4.855.- € Lieferkosten an Lieferando, lieber einen Fahrer selbst anstellen. Zumindest in den ländlichen Regionen!
Kurzum, Lieferando ist schon „cool“, aber eben nur für Ballungszentren.
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