Ein Jahr ist es nun her, da fragte mich unser ehemaliger Verlagsleiter, wie man den Verlag digital transformieren könnte. Ich erstellte daraufhin eine Planung zu Digitalisierung. Dabei unterhielt ich mich mit Mitarbeitern des Verlages und nutzte die 14-tägige Arbeitsgruppe „AG-Online“ der Geschäftsführung.
Meine Erkenntnisse…
in Bezug auf die Geschäftsleitung:
- Selbstbild und Fremdbild zum Thema „Digital“ unterscheiden sich in der Chefetage enorm.
- Nur weil jemand eine Apple-Watch oder ein SEO-Seminar besucht hat, ist er noch lange nicht digital, der „Spirit“ ist es, was einen Onliner ausmacht.
- Der erste Prozess zur Digitalisierung liegt im Verhalten der Geschäftsführer. Diese müssen den „Spirit“ eines Onliners haben, ansonst scheitert die Digitalisierung schon im Ansatz.
Digitalisierung muß von der Führungsetage aus authentisch vorgelebt werden. - Die Geschäftsführer (GFs) müssen Sicherheit für die Angestellten vermitteln.
- Die Gfs müssen für Transparenz in Sachen „Digitalisierung“ sorgen.
in Bezug auf die Mitarbeiter:
- Auch hier gibt es starke Unterschiede in Selbst- und Fremdbild.
- Nur weil jemand eine Webseite programmieren oder bei Instagram und Co. aktiv ist, ist er noch lange kein Onliner mit dem notwendigen Spirit. Wobei das in Bezug auf die Mitarbeiter schwächere Auswirkungen hat, als in Führungspositionen. Ein Team mit Fachexpertise ist trotzdem effizient, wenn auch nicht unbedingt innovativ. Das kann aber über einen entsprechenden Vorgesetzten (mit Spirit) aufgebaut werden.
- Ein großes Problem ist die Angst um den Job. Denn gerade ältere Mitarbeiter haben es mit der Digitalisierung schwer und haben daher Befürchtungen durch die Digitalisierung abgelöst zu werden.
- Ebenso problematisch ist die fehlende Transparenz. Die Frage, warum in ein Online-Marketing-Team investiert wird und andere Bereiche abgebaut werden, wurde öfter gestellt.
Mein Fazit:
Um ein Unternehmen digital zu transformieren müssen die Führungspositionen mit Menschen besetzt werden, die über den entsprechenden „Spirit“ verfügen. Diese Leader müssen den Mitarbeitern Job-Sicherheit bieten und über alle Aktivitäten informieren.
Eigentlich ganz einfach, doch in der Realität äußerst schwierig umzusetzen. Entsprechend war auch die Reaktion der Verlagsleitung. Hier entschied man sich dann lieber, Seminare für die Mitarbeiter abzuhalten, anstatt das Problem an der Wurzel zu packen. Im Endeffekt ist also nichts passiert. Auch die Idee Mitarbeiter mit entsprechendem Spirit in den verschiedenen Unternehmensbereichen aufzubauen ist zum Scheitern verurteilt, solange die Führungsetage sich der Digitalisierung verweigert.
Lediglich eine Einheit im Verlag hat sich das Thema nicht nur auf die Fahne geschrieben, sondern ist seit 4 Jahren aktiv an der Digitalisierung dran. Dieses Online-Marketing-Team mit Teamleiter und Geschäftsführer, hat die digitalen Erlöse des Hauses fast verzehnfacht. Diese Erfolge sind hart erkämpft und bringen lediglich den Argwohn anderer Abteilungen mit sich. Das Lustige, oder in dem Fall Traurige ist, die Verlagsleitung hat eigentlich keine Ahnung was wir tatsächlich machen!
Vor einigen Wochen wurde sogar „Linkbuilding“ von einem GF als „Voodo“ bezeichnet. Wie dem auch sei, wir beweisen täglich, dass Digitalisierung funktioniert, wenn der Spirit stimmt.
Wenn die Leitungsriege die digitale Transformation nicht vorlebt, sind alle weiteren Versuche sinnlos.
Was ist der „Spirit“?
Eigentlich hat der Spirit nichts mit Online oder Digital zu tun. Der Spirit ist eine innere Einstellung.
Eine Gründermentalität, die uns veranlasst, Dinge auszuprobieren, bei Rückschlägen weiterzumachen, zu optimieren und zu lernen. Das alles aus eigenem Antrieb heraus, nicht diktiert. Dabei ist es nicht schlimm Fehler zu machen, oder Sachen einfach nicht zu wissen. Das Wissen und der Erfolg kommen durch das handeln und werden durch eine grundlegende Neugier gefördert.
Wie sagte John Henry Newman so schön:
Ein Mensch würde nie dazu kommen, etwas zu tun, wenn er stets warten würde, bis er es so gut kann, dass niemand mehr einen Fehler entdecken könnte.
Der Vergleich mit der Gründermentalität und das Zitat von Henry Newman zeigen sehr gut was der „Spirit“ bedeutet. Angewendet auf die heutige, extrem schnelllebige Zeit könnte man auch einfach sagen: „Just do it!“ oder auf fränkisch übersetzt „nicht labern, machen!“.
Der Spirit:
Neugierde, Lernbereitschaft, Risikobereitschaft, nie Aufgeben, einfach machen und lernen.
Warum versagen also so viele Unternehmen bei der Digitalisierung?
Unsere Gesellschaft steht vor der größten Herausforderung seit der Industrialisierung, der Digitalisierung. Davon sind alle Menschen betroffen ob Arbeitnehmer, Arbeitgeber und natürlich auch unsere Politik, die immer wieder beweist, dass sie sich damit echt schwer tut.
Warum ist ein Wandel so schwer?
Das liegt ganz einfach daran, dass die Menschen sich anpassen müssen und Menschen sind Gewohnheitstiere. Der Mensch braucht einfach Zeit um mit Änderungen fertig zu werden. Manchmal geschieht der Wandel nur über einen kompletten Generationenwechsel hinweg.
Für die Industrielle Revolution standen dem Menschen die Jahre zwischen 1815 bis 1873 zur Verfügung. Also ein Zeitraum von über 50 Jahren. Die durchschnittliche Lebenserwartung im 19.Jahrhundert betrug für Männer 35,6 Jahre und Frauen 38,4 Jahre.
Die Industrialisierung benötigte also mindestens zwei Generationen um durchzubrechen. Die alten Gewohnheiten wurden durch die neuen Gegebenheiten mit dem Generationenwechsel schrittweise ersetzt.
Die Digitalisierung hingegen begann laut (www.welt.de) erst 2002, alternativ irgendwann in den Achtzigern, als der Übergang zwischen Industrialisierung und Informationszeitalter begann und mit dem PC eingeleitet wurde.
Wir stecken also gerade in der Digitalen Revolution, die mit diversen Neuentwicklungen rasant weiter schreitet. Diskette, CD, DVD, PC, Laptop, Tablet, Smartphones, Industrie 4.0 uvw.
Es sind also gerade mal ca. 30 Jahre vergangen. Bei einer durchschnittlichen Lebenserwartung im 21. Jahrhundert bei Männern von 79 Jahren und bei Frauen von 84 Jahren.
Laut einer Studie von www.business-wissen.de liegt das Durchschnittsalter von Geschäftsführern / innen in Deutschland bei 50,9 Jahren. Also Führungskräften, die Ihre Ausbildung und ersten Schritte vor der Digitalisierung gemacht haben.
Diese Gfs sind also irgendwann um 1968 geboren und haben aus Mangel an Alternativen die Verhaltensmuster ihrer Vorgänger übernommen. Diese gelernten Verhaltensmuster machen es den Gfs heute schwer, den Wandel zur Digitalisierung einzuleiten.
Das Rentenalter beginnt mit 63 Jahren, was bedeutet, das die meisten Führungskräfte noch mindestens 13 Jahre im Amt sind.
Natürlich sind nicht alle Gfs Gegner der Digitalisierung, aber Fakt ist, es tun sich viele damit schwer.
Aber nicht nur unsere Unternehmen haben es schwer, denn um so älter die leitenden Personen, desto schwerer ist der Wandel. Unsere Politiker zum Beispiel haben ein Durchschnittsalter von 60 Jahren in CDU / CSU und SPD (Quelle Statista).
Aber auch die deutschen Arbeitnehmer sind schon im Durchschnitt etwas älter und zwar 43 Jahre.
Wir sehen also recht einfach warum die Digitalisierung in Unternehmen so schwierig ist. Es liegt an dem was die Menschen als Ihre Gewohnheit bezeichnen und wird durch die Lernbereitschaft begrenzt. Wobei die Fähigkeit zu Lernen nicht abnimmt, sondern nur die Bereitschaft dazu.
Arbeitnehmer im Durchschnitt: 43 Jahre
Geschäftsführer im Durchschnitt: 51 Jahre
Politiker im Durchschnitt: 60 Jahre
Achtung, kleiner Hinweis!
Die angeführten Werte sind allgemein. Was bedeutet, es gibt immer auch eine natürliche Anzahl an Personen mit dem notwendigen Spirit unabhängig vom Alter! Da es hier aber um die Digitalisierung geht, nimmt die Anzahl mit steigendem Alter ab.
Die Suche nach den richtigen Mitarbeitern.
Die Suche nach einer Person mir Online-Fachkenntnissen und entsprechendem Spirit dürfte bei Politikern eher ins Leere laufen (was unsere Politiker ja auch tagtäglich beweisen). Hier sollte man eher bei der Altersgruppe der unter 45-Jährigen suchen.
Kleine Randnotiz:
Vor einigen Jahren wurde ein Social-Media-Manager bei der ARD gesucht, Bewerbung nur in Papierform!!!
Auch schön war die Stellenausschreibung für einen Social-Media-Manager mit 5 Jahren Berufserfahrung in 2015!
Führungskräfte:
Größere Unternehmen verfügen über eine Vielzahl an Führungskräften und die sind alle im Schnitt 51 Jahre alt. Womit gleich das nächste Problem entsteht. Eingesessene Geschäftsführer mit Old School Background treffen auf einen jungen, motivierten Onliner, der ihnen gleichgestellt oder vorgesetzt ist! Hier sind die Konflikte vorprogrammiert.
Mitarbeiter:
Auch lustig ist die Idee z.B. einen Print Redakteur einfach mal zum Online Redakteur zu machen. Ja, beide schreiben Texte, das ist aber schon das einzige was sie gemeinsam haben. Der Online Redaktuer arbeitet mit Daten und wertet diese aus, welche Suchanfragen, Keywords… der Print Redakteur vermutet eher, was der Leser gerne hätte.
Ein switchen von Mitarbeitern aus Position A zu B bewirkt damit eigentlich gar nichts und alles bleibt beim Alten.
Wie man sowas macht, zeigte eindrucksvoll der Springer-Chef Mathias Döpfner mit der Umstrukturierung des Konzerns. Er trennte einfach Print und Online voneinander und kommentiert dies mit der Aussage: „Die alte Garde ist am Ende – und zwar überall“.
Ich könnte jetzt ewig weiterschreiben, es gibt noch so viele Themen. Millenials zum Beispiel, auch ein wichtiger Aspekt für die Zukunft von Unternehmen, wird diese Altersgruppe doch 2025 75% der Arbeitskräfte stellen… Damit kommen dann Themen wie Freiheit, moderne Ausrüstung, Anerkennung, keine Politik, kein Wettbewerb, Spaß bei der Arbeit, Homeoffice… ja, die nächsten Jahre werden lustig und ich stelle mir gerne bildlich vor, wie ein gealterter Geschäftsführer einem Millenial etwas von Pflichterfüllung erzählt.
Nun gut, jetzt nochmal eine Kurzzusammenfassung:
Warum versagen Unternehmen bei der digitalen Transformation?
- Die Führungsetage muß über den notwendigen Spirit verfügen.
- Die Führungsebene muß die Digitalisierung vorleben.
- Veraltete Strukturen verhindern eine Digitalisierung.
- Die Digitalisierung muß transparent für die Mitarbeiter sein auch über Abteilungen hinweg.
- Mitarbeiter und auch Führungskräfte haben Angst vor der Digitalisierung, könnte doch der Job bedroht sein.
- Das Unternehmen muß Sicherheit für die Angestellten bieten.
- Titel verteilen mit „Online“ bring nichts, der Spirit muß passen.
- Keine Angst vor Fehlern.
- Neugierde wecken.
- Veränderungen fördern.
Digitale Transformation bedeutet nicht in Webseiten zu investieren, Apps zu bauen oder Online-Shops zu entwickeln. Sondern Nischen identifizieren, besser als die Wettbewerber sein, die User Experience optimieren, Märkte neu gestalten, neue Technologien nutzen, Wirkung erzeugen, einfach innovativ sein und weniger vorausschauend zu planen.
Grüße,
Wolfram Daur
Online Marketing Manager
Foto: Pixabay